Phosgen Ratgeber

Phosgen

Phosgen, wissenschaftlich auch als Kohlenoxiddichlorid, Carbonylchlorid oder Kohlenoxychlorid bezeichnet, ist das Dichlorid der Kohlensäure. Seine Summenformel lautet COCl2. Bei Normaltemperaturen ist Phosgen gasförmig und äußerst giftig. Die hauptsächlich im erstenWeltkrieg als tödlicher chemischer Kampfstoff verwendete Substanz ist seit langen von der internationalen Chemiewaffenkonvention geächtet. In der Industrie wird Phosgen aufgrund seines hohen Gefahrenpotenzials nur in geschlossenen Kreisläufen eingesetzt.

Geschichte des Phosgens

Entdeckt wurde Phosgen im Jahr 1812 vom englischen Arzt, Chemiker und Zoologen John Davy (1790 bis 1868), dem jüngeren Bruder des englischen Chemikers Sir Humphry Davy (1778 bis 1829). Dieser ist vor allem für die Entdeckung der schmerzstillenden Wirkung von Lachgas bekannt.

Der Name Phosgen (griechisch: durch Licht erzeugt), lässt sich auf die von Davy durchgeführte photoinduzierte Addition von Chlorgas an Kohlenstoffmonoxid zurückführen.

Eigenschaften von Phosgen

Bei Phosgen handelt es sich um ein hochgiftiges farbloses Gas, das viel schwerer als Luft ist. Sein süßlich-fauler Geruch, der an faulende Bananenschale oder feuchtes Heu erinnert, ist sehr charakteristisch und rasch zu identifizieren. Wahrnehmbar ist er jedoch erst bei toxischen Konzentrationen, wobei die Wahrnehmbarkeit bei starker Exposition schnell nachlässt.

Phosgen ist gut in organischen Lösungsmitteln wie Benzol, Chlorbenzolen und Toluol löslich. In Wasser zersetzt es sich allmählich zu Kohlenstoffdioxid und Salzsäure. Daher müssen für seine Synthese oder Umsetzung wasserfreie organische Lösungsmittel eingesetzt werden. Unter Einfluss von kurzwelligem UV-Licht zersetzt sich Phosgen in Kohlenmonoxid und Chlor.

Die molare Masse von Phosgen beträgt 98,916 g/mol. Der Schmelzpunkt liegt bei -128 °C, der Siedepunkt bei 7,6 °C. Bei 25 °C hat die gasförmige Substanz eine Dichte von 4,03 g/l. Als Flüssigkeit am Siedepunkt sind es 1,4 g/cm3.

Herstellung von Phosgen

Phosgen wird unter Einsatz eines aus Aktivkohle bestehenden Katalysators aus Kohlenmonoxid und Chlor erzeugt. Die stark exotherme Reaktion bedarf einer aufwendigen Kühlung, da die Temperaturen im „Hotspot“ auf bis zu 600 °C ansteigen. Um die vollständige Umsetzung des Chlors zu gewährleisten und einem Chloreisenbrand (exotherme Reaktion von Chlor und Eisen bei mehr als 170 °C) entgegenzuwirken, wird Kohlenstoffmonoxid der Reaktion im Überschuss zugeführt. Damit kein Chlorknallgas entsteht, muss das Kohlenstoffmonoxid unbedingt frei von Wasserstoff sein.

Carbonylchlorid kann sich auch beim Verbrennen chlorhaltiger Kunststoffe (z. B. PVC) im Beisein von Metall und Kohle und beim Verbrennen des seit Januar 2010 verbotenen Kältemittels R22 bilden (z. B. beim Zulöten alter Kupferleitungen damit befüllter Kälteanlagen). Im Labormaßstab lässt es sich zudem aus Tetrachlormethan und rauchender Schwefelsäure (Oleum) herstellen.

Gesundheitsgefahren von Phosgen

Wegen seiner schlechten Wasserlöslichkeit gelangt Phosgen nach dem Einatmen ohne nennenswerte Zersetzung über die Bronchien bis in die Lungenbläschen. Diese schädigt es gleich auf zweifache Weise. Zum einen wird ein Teil des Stoffs aufgrund der großen Kontaktoberfläche durch Flüssigkeit zersetzt. Die dabei entstehende Salzsäure verätzt das umliegende Gewebe. Des Weiteren werden im Alveolen-Gewebe SH-, OH- und NH2-Gruppen von Proteinen und Enzymen acycliert (Bildung von Thioester-, Ester- und Amidfunktionen).

Welcher dieser Schädigungsmechanismen die vorrangige Rolle spielt, richtet sich nach der Phosgenkonzentration und der Inhalationsdosis (Produkt aus der Konzentration und der Inhalationszeit). Beide Auswirkungen tragen zur Entstehung eines Lungenödems (Wasseransammlung im Bereich der Lungenbläschen) bei. Das Ausmaß der Schädigung hängt vor allem von der inhalierten Dosis ab. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Intensität der Atmung. Körperliche Anstrengung verstärkt die toxische Wirkung.

Deshalb zeigen die aus Sicherheitsgründen von in phosgenerzeugenden und -verarbeitenden Anlagen Beschäftigten getragenen „Phosgenindikatorplaketten“ statt der Expositionskonzentration die Expositionsdosis an, um im Ernstfall sofort eine adäquate Therapie in die Wege leiten zu können.

Bei niedriger Inhalationsdosis verbleiben die Betroffenen in aller Regel für einige Stunden unter ärztlicher Beobachtung und erhalten eine vorsorgliche Therapie. Bleibende Schäden sind in diesen Fällen nicht zu erwarten. Bei höheren Installationsdosen (ab circa 150 ppm · min) bildet sich zumeist innerhalb von zwei bis drei Stunden ein Lungenödem, dessen Ausmaß von der jeweiligen Dosis abhängt. Die Atmung wird dadurch stark beeinträchtigt. Die Sauerstoffaufnahme von der Atemluft ins Blut geht zurück. Ohne Behandlung folgt meist der Tod durch Ersticken. Teilweise vergehen bis dahin zwei bis drei Tage. Sehr hohe Dosen können innerhalb von Sekunden bis Minuten den Tod herbeiführen, da das Gas mit den Proteinen der Alveolarwände reagiert und auf diese Weise den Gasaustausch komplett verhindern kann.

Die Gesundheitsgefahr durch Phosgen begründet sich weniger in seiner Toxizität (Sarin, Nowitschok, Tabun und andere moderne chemische Kampfstoffe sind erheblich giftiger), sondern vielmehr in der Art der Wirkung. Auch von tödlichen Dosen Betroffene sind häufig noch stundenlang frei von Symptomen, wodurch medizinische Gegenmaßnahmen nicht selten zu spät eingeleitet werden. Diese Problematik zeigt sich bei allen im industriellen Umgang mit Phosgen bekannten Todesfällen. Daher ist das Tragen einer Indikatorplakette unbedingt erforderlich. Nur die Plakette zeigt dem behandelnden Arzt zuverlässig die aufgenommene Dosis an.

Bei adäquater Behandlung heilen durch Phosgenintoxikation verursachte Lungenödeme mittel- und langfristig ohne weitere Folgen ab. Lediglich in den ersten Wochen nach dem Kontakt zum Giftstoff kommt es zu Einschränkungen in der Lungenfunktion, die allmählich abklingen.

Tödliche Unfälle im Zusammenhang mit Phosgen

Im Rahmen der industriellen Erzeugung und Weiterverarbeitung von Phosgen geschahen mehrere tödliche Unfälle. Der folgenschwerste ereignete sich am 20. Mai 1928 in Deutschland. Auf dem Gelände der Chemischen Fabrik Stoltzenberg (Hamburg) war an einem Kesselwagen aus ungeklärten Gründen ein Ventil abgesprungen, worauf das darin enthaltene Phosgen bei Außentemperaturen von 20 °C in den gasförmigen Zustand überging. Der Kessel enthielt rund 10.400 Liter Phosgen, das sich nun in Form einer Giftgaswolke über den Müggenburger Kanal in Richtung Wilhelmsburg verbreitete und dort in Wohngebiete zog. Mindestens zehn Menschen starben, weitere 300 erkrankten.

Der letzte größere Unfall in Europa ereignete sich im Jahr 2008 in der bayrischen Landeshauptstadt. Hier gab es glücklicherweise keine Todesopfer. Am 14. März hatte sich in einem in Garching befindlichen Labor der Technischen Universität München ein Schlauch einer Versuchsanlage gelöst. Dadurch trat Phosgen aus. Zwei Personen wurden mit Lungenödemen auf die Intensivstation gebracht, weitere 38 vorsorglich im Krankenhaus untersucht.

Die letzten tödlichen Unfälle mit Phosgen ereigneten sich 2010 in den USA sowie 2016 in Südkorea. Am 23. Januar 2010 führte das plötzliche Aufreißen eines an einem Phosgen-Tank angeschlossenen Stahlschlauchs auf dem Gelände der in Belle, West Virginia, angesiedelten DuPont Chemical Facility zur Freisetzung des giftigen Gases. Ein Mitarbeiter erlag den Folgen der Exposition am darauffolgenden Tag. Am 27. Mai 2016 kam es in einer TDI-Anlage der BASF in Südkorea zu einem Phosgen-Austritt. Hierbei atmete ein Angehöriger eines in der Anlage tätigen Fremdunternehmens Phosgen ein und verstarb an dessen Folgen am 9. Juni 2016.

Zwischen dem Unfall in Hamburg im Jahr 1928 und dem in Dupont 2010 gab es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitere tödliche Unfälle, die in aller Regel öffentlich bekannt gemacht und von den jeweiligen staatlichen Behörden untersucht wurden. Bei der Katastrophe von Bhopal 1984 wurde zunächst ein Phosgen-Austritt vermutet. Das wurde jedoch eindeutig widerlegt.

Einsatzgebiete für Phosgen

Haupteinsatzgebiet dieses Stoffs ist die großtechnische Produktion aromatischer Diisocyanate wie Toluylendiisocyanat (TDI) und Methylendiphenylisocyanat (MDI). Diese werden beispielsweise für die Herstellung von Schaumstoffen auf Polyurethanbasis und die Produktion von Polycarbonat (PC) eingesetzt. Letzteres ist für die Erzeugung hochwertiger Kunststoffe erforderlich. Hierfür werden mehr als 90 Prozent des weltweit produzierten Phosgens (über drei Millionen Tonnen pro Jahr) verwendet.

Weitere Verwendungszwecke sind die Produktion „aliphatischer“ Diisocyanate wie Hexamethylendiisocyanat (HDI) und Isophorondiisocyanat (HPDI), aus denen hochwertige Lacke, z. B. Autolacke, hergestellt werden, sowie die Erzeugung von Monoisocyanaten wie Methylisocyanat, welche bei der Herstellung von Pflanzenschutzmitteln zur Anwendung kommen.

Mengenmäßig und ökonomisch von untergeordneter Bedeutung sind der Einsatz zur Produktion von Carbonsäurechloriden und Pharmazeutika. Gleiches gilt für die Erzeugung und Verwendung im Labormaßstab. Die größten Anlagen finden sich in Saudi-Arabien, den USA, Deutschland, China, Japan und Südkorea. Zu den wichtigsten Produzenten zählen DOW, die Bayer-Ausgliederung Covesto und BASF.

Wegen seiner hohen Toxizität werden mehr als 99 Prozent des Phosgens in derselben Produktionsanlage erzeugt, in der es weiterverarbeitet wird. Auf diese Weise lassen sich gefährliche Transporte über firmeninterne und öffentliche Verkehrswege vermeiden. Auch eine Zwischenlagerung wird vermieden, da aus dem produzierten Carbonylchlorid sofort vergleichsweise harmlose Folgeprodukte hergestellt werden.

Bei der Weiterverarbeitung kommt ein Phosgenüberschuss zum Einsatz. Nicht verwendete Überschussmengen werden zurückgewonnen und erneut dem Produktionsprozess zugeführt. Restmengen werden von Aktivkohle absorbiert und durch Hydrolyse mit Wasser vernichtet. Im Laborbereich sind alternativ flüssiges Diphosgen (Trichlormethylchlorformiat) sowie festes Triphosgen (Bistrichlormethylcarbonat) verfügbar, die eine ähnliche Reaktivität aufweisen, aber weniger gefährlich in der Anwendung und unproblematischer zu lagern sind.

Phosgen als Kampfmittel

Nachdem Deutschland am 22. April 1915 in der Zweiten Flandernschlacht bei Ypern zum ersten Mal Chlorgas eingesetzt hatte, wurde diesem im weiteren Kriegsverlauf in zunehmender Konzentration Phosgen hinzugefügt. Sobald die deutschen Soldaten mit Schutzmasken ausgerüstet waren, wurde der Einsatz von Phosgen als Beimischung zum Chlorgas zur Routine.

Später verwendeten auch die Briten Chlor-Phosgen.
Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass im Ersten Weltkrieg circa 90.000 Menschen durch die Einwirkung chemischer Kampfstoffe starben, wobei mehr als die Hälfte der Toten auf Russland entfielen. Etwa eine Million Soldaten erlitten dauerhafte Gesundheitsschäden.

Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit Phosgen

Aufgrund der davon ausgehenden Gesundheitsgefahr muss Phosgen mit dem Gefahrensymbol T+ (sehr giftig) gekennzeichnet sein. Zudem sind die Kennzeichnungen R 26 (sehr giftig beim Einatmen) sowie R 34 (verursacht Verätzungen) verpflichtend. Der Arbeitsplatzgrenzwert liegt gemäß TRGS 900 bei 0,082 mg/m³ bzw. 0,1 ml/m³.

Folgende Schutzmaßnahmen sind beim manuellen Umgang mit Phosgen zu beachten:

  • gute Be- und Entlüftung des Arbeitsraumes
  • Absaugen von Dämpfen
  • Rauch- und Schweißverbot
  • Ventile nicht mit Gewalt öffnen
  • bei Flaschenwechsel Ventile gefüllter und leerer Flaschen auf Dichtigkeit prüfen
  • Berührung mit Haut, Augen und Kleidung unbedingt vermeiden
  • persönliche Hygiene einhalten
  • Chemikalienschutzhandschuhe tragen
  • als Atemschutz Gasfilter B (grau) verwenden
  • Atemschutzgeräte ständig mitführen, um im Fall eines Phosgen-Austritts schnell fliehen zu können

Beim Abfüllen von Phosgen muss stets eine sachkundige Person anwesend sein. Die Beaufsichtigung darf auch per Monitor von einer ständig besetzten Messwarte aus erfolgen, sofern ein schnelles Eingreifen im Anforderungsfall gewährleistet ist.

Wurde Phosgen eingeatmet, ist es wichtig, beim Betroffenen zunächst für absolute Körperruhe zu sorgen und schnellstmöglich ein cortisonhaltiges Spray über die Atemwege zu verabreichen. Zudem ist es unverzichtbar, sachkundige Ärzte hinzuzuziehen, die bei Bedarf weiterführende medizinische Maßnahmen in die Wege leiten können.

Gaswarngeräte minimieren Risiken im Umgang mit Phosgen

Das heimtückische am Phosgen ist, dass es beim Einatmen geringerer Dosen nicht sofort zu Symptomen führt. Hinzu kommt, dass der charakteristische Geruch des Gases in aller Regel erst bei toxischen Konzentrationen wahrnehmbar ist und schnell wieder verloren geht. Deshalb ist es wichtig, gefährdete Bereiche kontinuierlich messtechnisch zu überwachen, um im Bedarfsfall rechtzeitig Schutzmaßnahmen für die dort tätigen Personen ergreifen zu können.

Compur Monitors hat hierzu sowohl stationäre als auch portable elektrochemische Sensoren und kolorimetrische Systeme entwickelt, die zuverlässig vor Phosgen und anderen gefährlichen Gasen in der Umgebungsluft warnen, sobald der vorgegebene Grenzwert überschritten wird.

Zur Produktpalette gehören beispielsweise das mobile Lecksuchgerät Tracer, das Phosgen schon in einem Bereich von wenigen ppb detektieren kann. Darüber hinaus bietet Compur die Statox Produktfamilie mit verschiedenen, auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnittenen Modellen an. Besonders hervorzuheben ist der Statox 560, der sich selbst mit an Bord erzeugtem Phosgen auf gute Funktion überprüfen kann.

Quelle:
Wikipedia